Pädagogische Schulentwicklung


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"Schule im Aufbruch" muß - will sie "erfolgreich" sein, d.h. den derzeitigen und zukünftigen gesellschaftlichen Bedarf an Bildung decken - einen permanenten Spagat vollbringen zwischen

  • gesellschaftlicher Realität und humanitären Visionen
  • bewahrender Rückschau und ahnendem Zukunftsentwurf
  • Disziplinierung und Subjektförderung etc.
Als wäre dieser Spagat nicht schon schwierig genug, muß Schule derzeit auch noch einen Prozeß verarbeiten, der ihre herkömmlichen Strukturen von Grund auf verändern wird bzw. bereits verändert: die dramatische Umwälzung unserer Lebens- und Arbeitswelt durch die neuen Informations- und Kommunikationstechniken.

"Postmoderne Unübersichtlichkeit", abstrakte, an virtueller Symbolik ausgerichtete Inhalte und ständige Veränderungen mit einhergehender Unsicherheit werden den Schulalltag der nächsten LehrerInnen- und SchülerInnengenerationen prägen. Seltsamer- oder soll ich sagen wunderbarerweise scheint gerade diese Entwicklung mit den zentralen Forderungen von pädagogischer Schulentwicklung zu korrespondieren: Die Arbeit mit den Neuen Medien fördert und fordert selbständiges und selbstverantwortliches Arbeiten, Lernen im Team, zwingt die Lehrkräfte, ihre Rolle als dominante Wissenvermittler zu hinterfragen und neu zu definieren in Richtung "unterstützende Begleitung von Lernprozessen".

Schulorganisation und LehrerInnenrolle werden durch die Einführung der neuen Informations- und Kommunikationstechniken einem Paradigmenwechsel unterworfen, der das je eigene Selbstverständnis in einer Art und Weise verändern wird, die sich viele heute noch nicht annähernd vorstellen können. Pädagogische Schulentwicklung wird sich diesem Paradigmenwechsel stellen und hier vor allem die Leitungs- und Führungsebenen adäquat auf das veränderte Aufgabenspektrum vorbereiten müssen. Um zu verdeutlichen, was damit konkret gemeint ist, will ich anhand meines eigenen "Paradigmenwechsels" einige Strukturprinzipien des Wandels erläutern.

"Mut zum Menschen" und die Konsequenzen

Ein einziger Schüler (und wahrlich nicht einer der besten im herkömmlichen Sinne) hat mein Arbeitsleben und das Profil der Schule, an der ich arbeite, total umgekrempelt. Die Idee, einen vernetzten Klassenraum mit einem Kommunikationsserver ans Internet zu bringen schien Ende1994 ein utopisches Unterfangen, zumal ich noch nicht einmal wußte, was das Internet eigentlich ist. Seine Begeisterungsfähigkeit steckte mich an, machte mir Mut, die weitestgehende Möglichkeit - Anbindung der Schule per Standleitung an Internet - zusammen mit einer immer größer werdenden Schar von Schülerinnen und Schülern zu verwirklichen.

Verantwortung für die eigene Schule und das, was aus ihr werden soll

Ich hatte das Glück, Schüler zu haben, die sich ihrer Verantwortung bewußt waren, einen Schulleiter, der das Vertrauen hatte, uns machen zu lassen und die persönliche Bereitschaft, mich auf ein Abenteuer einzulassen, dessen Ausgang niemand kannte. Die Schüler (sic!) nahmen Kontakt zu Sponsoren per eMail auf und bald nannte die Schule einen sündhaft teuren SUN-Computer ihr eigen, die Standleitung wurde über das Leibniz-Rechenzentrum realisiert und die Vernetzung der Schüler-PC wurden an vielen freien Nachmittagen und Wochenenden durchgeführt.

"Die beste und kreativste Arbeit wird dort geleistet, wo Menschen sich wohl fühlen"

Schüler schulten interessierte Lehrkräfte an der Schule im Gebrauch der Internetdienste und deren Administration. Der Internetraum war nachmittags ohne direkte Aufsicht geöffnet und bald arbeiteten in den Pausen und nachmittags viele Schüler im Netz der Netze. Von Anfang an hatten alle Schülerinnen und Schüler sowie interessierte LehrerInnen einen eigenen Zugang zum Internet, für den sie selbst verantwortlich waren.

Immer mehr führte dieser vertrauensvolle und solidarische Umgang miteinander bei mir dazu, auch im herkömmlichen Unterricht die Dominanz aufzugeben und die Rolle des Moderators und Organisators von Lernprozessen anzunehmen. Und immer mehr Kolleginnen und Kollegen aus ganz Bayern besuchten unsere Schule und sahen mit Staunen, was ein Zusammenwirken von Lehrer und Schülern zu Wege bringen kann, wenn keine bürokratischen Hindernisse im Wege stehen.

Die Schule verfügte als eine der ersten in der Bundesrepublik ueber eine eigene Domain und darin beheimatet über eine umfangreiche Homepage, die von Schülern gepflegt wird. Sie hat weit über die Grenzen Bayerns hinaus einen Ruf als Medienschule und wurde bald Modellschule der Stadt München für den Bereich Neue Medien.

Multiplikation oder der Virus greift um sich

Immer mehr KollegInnen - v.a. aus dem Bereich der Fremdsprachen -sahen Vorteile darin, die Neuen Medien in den Unterrichtsalltag zu integrieren. Email-Projekte mit Schulen in Frankreich und den USA im Englisch- und Französichunterricht mit abschliessender Videokonferenz erregten das Aufsehen der Medien und begeisterten SchülerInnen und LehrerInnen für eine zeitgemäße Form von Unterricht und fügten sich nahtlos in den Prozeß der Schulentwicklung, der an der Schule vehement vorangetrieben wurde, ein. Projekte wurden bei der Informations-gewinnung und beim Austausch von Information durch die Möglichkeiten der Neuen Medien unterstützt, schüleraktivierendes Arbeiten und selbstverantwortliches Lernen (zeitliche und inhaltliche Differenzierung) vielfach wie selbstverständlich ermöglicht.
Im Team, das den Münchner Bildungsprovider(MUSIN) aufbaut und betreut, sind immer noch 3 ehemalige Schüler der Anfangsformation. Weit über 100 Münchner Schulen werden derzeit über diesen städtischen Provider ans Netz gebracht, beraten und technisch wie inhaltlich betreut. Alle Schülerinnen und Schüler der ersten Stunde studieren (Wirtschaft-)Informatik oder arbeiten erfolgreich in der Computerbranche.

Ich kann kein Versprechen abgeben, dass Computer der Schlüssel zu einer besseren Zukunft sind. Computerkenntnisse bieten heute keine Beschäftigungsgarantie mehr - Arbeitsplätze lassen sich gut exportieren. Wenn jedoch, wie beschrieben, ein "humanes Lernklima" durch die Neuen Medien befördert wird, "neue Begeisterung" entfacht wird und zugleich methodische und soziale Kompetenzen vermittelt werden, die die Bewältigung der gesellschaftlichen Anforderungen ermöglichen, dann passen diese sehr gut in die Landschaft einer Pädagogischen Schulentwicklung.
 
 




 
© htm 11-02-2001 11:56:56